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Le Gentil wollte zwei Venusdurchgänge sehen

Von einem Astronomen der auszog, zwei Venusdurchgänge zu beobachten ...

Bei Venusdurchgängen ist man in der Lage, die Entfernung der Erde von der Sonne mit hoher Genauigkeit zu berechnen. Als 1761 und 1769 wieder zwei aufeinanderfolgende Venusdurchgänge erwartet wurden, schickte die Royal Astronomical Society und die Akademie Française ganze Heerscharen von Wissenschaftlern nach Indien, von wo aus sich der Venusdurchgang am besten beobachten ließ.

Venusdurchgang

Wirklich alles Pech der Welt hatte der französische Astronom Guillaume-Joseph-Hyacinthe-Jean-Babtiste Le Gentil aus Brest. Obwohl er vom Unglück verfolgt wurde, entbehrt seine Geschichte, die ich hier erzählen möchte, nicht einer gewissen Tragik-Komik. Wie wir wissen, treten Venustransite immer im Abstand von 8 und 120 Jahren auf. Wer also den ersten Durchgang durch widrige Umstände verpasst, hat acht Jahre später eine zweite Chance, die ,Schwarze Venus' vor der Sonnenscheibe doch noch zu sehen. Wer allerdings auch diese Chance verpasst, hat zu seinen Lebzeiten keine Möglichkeit mehr, einen Dritten Durchgang zu erleben. Als 1761 und 1769 wieder zwei aufeinanderfolgende Venusdurchgänge erwartet wurden, war damals das gesamte wissenschaftliche Establishment unterwegs.

Da von Indien aus der Venustransit am besten zu beobachten war, brach Le Gentil schon zwei Jahre zuvor zu der französischen Besitzung Pondicherry auf. Seit sieben Jahren tobte allerdings dort ein Krieg zwischen Frankreich und England, weil auch die Engländer Gefallen an der schönen Stadt gefunden hatten. Nach verlorener Schlacht fiel die Stadt in englische Hände. Augenblicklich musste Le Gentile Indien verlassen und war gezwungen, den Venustransit auf schwankendem Schiff auf hoher See zu beobachten. Genaue wissenschaftliche Messungen waren da natürlich völlig ausgeschlossen. Doch der wackere Franzose gab so leicht nicht auf. Da der nächste Transit schon in acht Jahren stattfinden würde, entschloss sich Monsieur le Baron darauf zu warten. Der Tag des Venustransit begann strahlend schön. Doch dann zogen Wolken auf und bedeckten den ganzen Himmel. Le Gentil konnte den Durchgang nur teilweise beobachten. Schlechtes Wetter hatte ihm den Transit in letzter Minute verpatzt.

Niedergeschlagen entschied sich der unglückliche Astronom nun doch die Heimreise anzutreten, schließlich war er doch schon seit über zehn Jahren unterwegs. Während er auf ein Schiff wartete, erkrankte er an Ruhr und wäre fast daran gestorben. Von der Krankheit stark geschwächt, fand er ein Schiff zur Heimpassage. Die Jahre des Leidens schienen jetzt aber endlich vorbei zu sein. Doch unterwegs wurde sein Schiff durch einen Hurrikan so stark beschädigt, dass es wieder zur Reparatur zum Ausgangshafen zurückkehren musste. Der Astronom, der ausgezogen war, um zwei Venustransite zu beobachten, jedoch keinen richtig sehen konnte, kehrte mit viel Verspätung nach Hause zurück. Sie mögen glauben, dass hier die Geschichte zu Ende sei. Doch weit gefehlt. Jeder daheim hatte längst geglaubt, dass Guillaume-Joseph inzwischen ein kühles Grab in fremder Erde gefunden hatte. Inzwischen war all sein Besitz redlich unter den Erben aufgeteilt. Auch die Französische Akademie der Wissenschaften hatte inzwischen den Posten des Pechvogels neu besetzt.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach