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Wie das Leben entstanden sein könnte

"Da war nicht Erde unten noch oben Himmel, Gähnung grundlos..."
[Snorri Sturleson Die Jüngere Edda (Um 1220)]

Am Anfang war die Erde in der Tat kein guter Platz im Universum. Die anfänglich noch hohe Rotationsgeschwindigkeit fachte die Winde an und jagte sie als tosende Stürme um den Erdball, wodurch heftige Gewitter entstanden. Aus den elektrostatisch aufgelandenen Wolken lösten sich ständig Blitze und es regnete viele hundertatausend Jahre lang. Dabei kühlte sich langsam die Erde ab. In den Bodensenken lief das Wasser zusammen, und so entstanden die ersten Urozeane. Aus vielen tausend Vulkanen gaste eine ätzende Uratmosphäre aus, die aus Wasserdampf, Kohlendioxid, Ammoniak und Schwefelverbindungen bestand. Es muss damals grässlich nach faulen Eiern gestunken haben - wie in der Hölle eben. Doch genau dies waren die richtigen Bedingungen für die Entstehung von Leben. Der ganze Globus war in eine dichte Atmosphäre gehüllt, die kein Sonnenstrahl durchdrang. In der Schöpfungsgeschichte ist diese Epoche wunderbar beschrieben; "Auf der Erde war alles wüst und leer und Finsternis war über den Wassern." Doch diese Finsternis wurde von vielen Blitzen grell erleuchtet, die krachend in die Tümpel einschlugen. Viele hunderttausend Jahre sollten noch vergehen, bis die ersten Sonnenstrahlen die mächtigen Wolkenschichten durchbrachen und die düstere Urwelt des Archaikums beleuchtete.

Das Miller-Experiment

Dieses chaotische Szenario musste der amerikanische Chemie-Student Stanley Miller im Kopf gehabt haben, als er 1953 ein bemerkenswertes Experiment durchführte, das in die Wissenschaftsgeschichte eingehen sollte. Miller baute die vermuteten Umweltbedingungen in einem Glaskoben nach. Er nahm an, dass die damalige Atmosphäre so beschaffen war, wie sie noch heute aus Vulkanen entweicht. Elektrische Entladungen simulierten in seinem Versuch die Blitze. Nach einigen Tagen hatte sich das Wasser in eine braune Brühe verfärbt. Eine Analyse ergab, dass Biomoleküle (einfache Aminosäuren: Verbindungen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff) entstanden waren - Bausteine des Lebens. Die Ursuppentheorie war geboren. Doch heute gibt es eine Reihe ernst zu nehmender Argumente gegen Millers These von der Entstehung des Lebens unter diesen Bedingungen. Man sollte sich aber hüten, diesen Versuch als Fehlschlag zu deuten. Für die Wissenschaft ist das Experiment von großem Wert, da Miller gezeigt hat, dass es durchaus natürliche Umweltprozesse gibt, die Leben hervorbringen können.

Ein Erklärungsansatz zur Entstehung des Lebens stammt von dem Münchner Professor Günter Wächtershäuser. Er verlegte den Ursprung des Lebens in die Tiefen der Ozeane, in die Nähe von sogenannten Schwarzen Rauchern. Dort, so wies er nach, strömt aus den untermeerischen Mini-Vulkanen in kochend heißem Wasser gelöstes Eisensulfid aus. Dieses reagiert mit freiem Sulfid zu Pyrit - das besser als Katzengold bekannt ist. Diese Verbindung dient als Energiequelle für die Entstehung von Leben.

 

Wissen kompakt

  • Beim Miller-Experiment entstanden Aminosäuren
  • Protoplanet Erde: Nachdem die Erde entstanden war, rotierte sie noch mit hoher Geschwindigkeit. Für eine Umdrehung um ihre Achse benötigte sie damals weniger als 15 Stunden. Durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit rasten heftige Stürme über die Erde. Als die Gesteine sich unter 100°C abgekühlt hatte, gab es zum ersten Mal flüssiges Wasser.
  • Es war noch kochend heiß und noch stark schwefelhaltig. Das heiße Wasser verdampfte wieder sofort und regnete bald wieder ab. Das heiße, schwefelhaltige Wasser führte zu einer starken Erosion. Das nun entstehende Gesteinsschutt bildete die ersten Sedimentgesteine.
  • Stanley-Miller-Experiment: Der amerikanische Chemie-Student bildete die Urbedingungen, die damals auf der Erde geherrscht hatten, in einer Versuchsanordnung nach. Das heiße Wasser verdunstete rasch. Schwere dichte Wolken umhüllten damals die Erde. In der Atmosphäre gab es viele Blitze. Durch die elektrischen Entladungen in der Atmosphäre bildeten sich die ersteh Moleküle des Lebens.
  • Kritik am Miller-Experiment: Nach 50 Jahren erkannte man, dass Miller von eineer falschen Annahme ausgegangen war. Der Münchner Paläontologe Günter Wächtershäuser verlegte den Ursprung des Lebens in die Tiefsee.
  • In den Black Smokers gelangt Eisensulfid ins Wasser. Dieses reagiert mit freiem Sulfid zu Pyrit FeS2. Diese Verbindung dient als Energiequelle für die Entstehung von Leben. In der Tiefsee entgehen die Lebensmoleküle der Zerstörung durch das UV-Licht.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach