Archiv

Die Titius-Bode-Reihe

Lässt sich die Entfernung der Planeten von der Sonne berechnen? Als sich der Wittenberger Mathematikprofessor Johann Daniel Titius die Abstände der einzelnen Planeten ansah, glaubte er zu träumen: Er erkannte, dass alle Planeten in einem scheinbar berechenbaren Abstand zur Sonne standen. Der deutsche Astronom Johann Elert Bode stieß in einer Lektüre auf Titius' Artikel. Bezeichnet man den Abstand a der Erde von der Sonne als eine AE (=Astronomische Einheit), so lässt sich in der Tat eine Regelmäßigkeit in der Position der Planeten erkennen. Es gilt die Formel a=0,4+0,3·2n für n=-∞, 0,1,2,3,... Es scheint, als sei die Position aller Planeten berechenbar:

Planet a areal

Fehler
in %

Fehler
Mio km
Merkur 0,4 0,387 3,2 1,9
Venus 0,7 0,72 2,9 3,1
Erde 1 1 0 0
Mars 1,6 1,52 0,05 1,1
Lücke 2,8 2,9 0,04

Plane-
toiden

Jupiter 5,2 5,2 0 0
Saturn 10,0 9,55 4,5 64
Uranus 19,6 19,2 2,0 57
Neptun  - 30,9 - -

Auf den ersten Blick erscheint die Regel tatsächlich zu stimmen. Allerdings ist sie nur bei den inneren Planeten erstaunlich genau. Schaut man sich aber die Abweichung in Kilometern an, wird klar, dass die Regel nicht stimmen kann. Selbst wenige Prozente addieren sich bei den äußeren Planeten zu gewaltigen Entfernungen. Bis zum Jupiter stimmt die Regel. Aber danach wird's happig mit der Genauigkeit. 64 Millionen Kilometer (Saturn) und 57 Millionen Kilometer (Uranus) Ungenauigkeit sind schon etwas zu viel. Neptun kommt in dieser Reihe gar nicht vor. Zwischen Mars und Jupiter klafft eine Riesenlücke. Es ist erstaunlich, dass die Titius-Bode-Reihe diese Lücke bereits vorausgesagt hatte. Laut dieser Regel musste sich dort ebenfalls ein Planet befinden. Dort liegt aber der Planetoidengürtel. Die Astronomen vermuten bei der Titius-Bode-Reihe einen noch unbekannten Koppelungseffekt. Die Physik, d.h. die theoretische Mechanik hat diese Regel aber noch nicht ableiten können.

Wissen kompakt

  • Obwohl die Titius-Bode-Regel nur auf den ersten Blick ein Naturgesetz zu sein schien, hat sie eine ganz wichtige Stellung in der Geschichte der Astronomie.
  • Dieser Regel verdanken wir die Entdeckung des Asteroidengürtels, der zwischen dem Mars und dem Jupiter liegt. Johann Daniel Titius (1729-1776), Mathematikprofessor in Wittenberg, übersetzte das Buch Contemplation de la nature des Schweizer Naturforschers Charles Bonnet. In dem Buch preist er die göttlich inspirierte Ordnung der Natur.
  • Titius erweiterte das Buch um einen Abschnitt über die Planeten. Ihm war aufgefallen, dass die Planeten in einem berechenbaren Abstand von einander stehen. Weist man jedem der Planeten den Wert ihrer AE zu, scheint sich eine berechenbare Zahlenfolge zu ergeben.
  • Er vermutete, dass die Planeten in einer Formel wie folgt berechnen lassen: Man beginnt mit der Zahl Null. Dann addiert man 3, also 0-3. Ab jetzt werden die Zahlen immer verdoppelt: 0-3-6-12-24-48-96-192-384. Zu allen Elementen wird 4 addiert. 3+4=7. 6+4=10. 12+4=16. 28, 52, 100, 196, 388. Da Pluto noch nicht entdeckt war, hört die Reihe schon bei Neptun auf. Nun wird alles durch 10 geteilt: 0,4 (Merkur); 0,7 (Venus); 1 (Erde); 1,6 (Mars); 2,8 (hier muss ein Planet fehlen); 5,2 (Jupiter): 10,0 (Saturn); 39,0 (Uranus)
  • In 19,6 AE müsse auch ein Planet stehen, sagte die Regel voraus. Als neun Jahre später Wilhelm Herschel in 19,18 AE den Uranus entdeckte, schien sich die Gültigkeit der Regel bestätigt zu haben. Der Urheber dieser Reihe war Johann Daniel Titius. Da sie Bode bei einer Lektüre zufällig entdeckt hatte und sie publizierte, ging sie als Titius-Bode-Reihe in die Wissenschaftsgeschichte ein. Bis zum Jupiter stimmt die Regel.
  • Je weiter die Planeten von der Sonne entfernt sind, desto ungenauer wird ihre Position.
  • Durch die vermeintliche Gültigkeit der Regel, wurde in der vorhergesagten Umlaufbahn eines Planeten der Asteroidengürtel entdeckt. Er entstand deshalb, weil die ungeheuer starke Gravitation des Jupiter die Akkretion (Verdichtungsvorgang) eines Planeten verhindert hat.
  • Die theoretische Mechanik hat bis jetzt diese Regel nicht ableiten können. Heute glaubt kaum noch ein Wissenschaftler an die Gültigkeit der Titus-Bode-Reihe. Allerdings spielte sie eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Astronomischen Forschung.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach