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Das Weltbild auf der Scheibe

Dieser Fund aus der Bronzezeit war dem Spiegel sogar eine Titelgeschichte wert. In Sachsen-Anhalt bei Nebra fanden Raubgräber zufällig eine wissenschaftliche Sensation - eine Sternenscheibe aus der Bronzezeit. Doch bis sie in die richtigen Hände geriet, gab es zuvor eine Räuber und Gendarm Geschichte, die in Basel glücklich endete. Begonnen hatte alles auf dem Mittelberg in der Nähe des sachsen-anhaltinischen Städtchens Nebra.

(c) Spiegel
(c) Spiegel, mit freundlicher Genehmigung

Von der Höhe des Hausberges von Nebra, das ist der Mittelberg, kann man ganzjährig den Lauf der Sonne verfolgen. Am Abend der Wintersonnenwende geht die Sonne exakt dort unter, wo die Unstrut ein Knie macht. Am 1. Mai geht sie hinter dem Kyffhäuser und in der Nacht der Sonnenwende geht die Sonne exakt hinter dem Berg des Brockens unter. Vermutlich lag hier das älteste Sonnenobservatorium der Menschheit. Im 2. Weltkrieg war der Mittelberg eine wichtige strategische Höhe, um die hart gekämpft wurde. Als die Heimatfront zusammen brach, flüchteten die deutschen Soldaten und ließen all ihre Waffen zurück. Noch heute liegen im Boden des Mittelberges bei Nebra viele Waffen aus diesen Tagen. Moderne Schatzsucher suchen nach diesen Resten. Manchmal haben sie Glück und finden auch noch alte Münzen. Doch die meisten Fundstücke sind verrostetes Eisen.

Im Juli 1999 stießen zwei Schatzsucher auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt auf den Fund ihres Lebens. Er stammte aus der frühen Bronzezeit und war somit 3600 Jahre alt. Leider versäumten sie es, ihn den Behörden zu melden. Dadurch konnte er nicht gleich wissenschaftlich ausgewertet werden. Auch blieb die genaue Fundstelle unbekannt.

Zuerst hielten die Schatzsucher die tellerförmige Scheibe für einen alten Eimerdeckel. Als sie aber an der gleichen Stelle Reste eines bronzezeitlichen Schmucks und zwei Schwerter fanden, schauten sie sich den vermeintlichen Eimerdeckel noch einmal genauer an. Dabei entdeckten sie, dass eigenartige Ornamente in die Platte eingearbeitet waren. Ihnen war jedoch noch nicht bewusst, dass sie gerade eine Archäologische Sensation gefunden hatten, die selbst mit Carters Fund des Pharaonengrabes von Tut Anch Amun 1922 mithalten kann. Da die Scheibe stark verschmutzt war, legten sie sie für einige Tage in ein Reinigungsbad und versuchten anschließend, den Schmutz mit einer Wurzelbürste und mit Eisenwolle abzureiben. Dabei sahen sie, dass die eingelegten Muster aus Goldblech bestanden. Die beiden Schatzsucher ahnten mittlerweile, dass sie etwas Wertvolles gefunden hatten. Für DM 31.000 (15.500 €) verhökerten sie ihren Fund bei einem Hehler, der die Scheibe für DM 230.000 (115.000 €) weiter verkaufte. Da der Fund aus der Bronzezeit in sachsen-anhaltinischem Boden gefunden worden war, unterlag er dem "Schatzregal", gehört damit dem Land und durfte deshalb nicht verkauft werden. Für den seriösen Kunsthandel sind solche Funde daher wertlos. In der Halbwelt der illegalen Schatzgräber nimmt man solche Feinheiten nicht immer so genau, was dann aber zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann.

Schwerter

Auch diese Schwerter gehörten zu dem FundInzwischen hatte sich das Ereignis in der einschlägigen Szene rumgesprochen. Auch die umtriebige Wirtin des Gasthauses "Historia" hatte die Gerüchte gehört. Neben ihrem kleinen Restaurant, in dem sich die Gäste die Wartezeit auf ihr Essen , nach Originalrezepten aus der Römerzeit, verkürzten, betrieb sie noch ein kleines Museum mit etwas Heimatgeschichte. Als Ausstellungsstücke befanden sich dort mehrere eiszeitliche Tierschädel nebst einer entschärften Granate aus dem 2. Weltkrieg. In der Schatzsucherszene ist das "Historia" ein beliebter Treffpunkt. Von dem, was Frau Wirtin gehört hatte, war ihr sofort klar, dass dieser Fund ein Vermögen wert sein musste, selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was man da erzählte. Ein Verkauf musste nur richtig angefasst werden.

Zwischenzeitlich hatte ein pensionierter Realschullehrer die bronzezeitliche Himmelsscheibe, inklusive der Beifunde gekauft. Es sickerte durch, dass sich eine wohlhabende Stiftung auch dafür interessierte. Man einigte sich auf DM 333.000 (167.000 €), die Beifunde inklusive. Allerdings bestand die Stiftung auf eine vorherige Prüfung. Die rührige Wirtin war ganz betäubt von dem vielen Geld, das zu erwarten war und organisierte ein geheimes Treffen mit dem momentanen Besitzer. Was das Duo allerdings nicht ahnte, war, dass just dieser Verhandlungspartner der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Dr. Mellers, höchst persönlich war. Im Hotel Hilton in Basel wurde ein konspiratives Treffen arrangiert, damit sich der Repräsentant der Stiftung die Fundstücke in aller Ruhe anschauen konnte. Das Objekt der Begierde war in ein Handtuch eingewickelt. Als Dr. Mellers es zu Gesicht bekam, verschlug es ihm die Sprache. In seinen Händen hielt er eine tellergroße Scheibe, auf der er eine Sonne, eine Mondsichel und viele Sterne aus Gold sehen konnte. Ein Sternbild ließ sich als die Plejaden identifizieren. Wenn die Scheibe genau so alt war, wie die Beifunde, dann war die Himmelsdarstellung 300 Jahre älter, als die Sternenkarten aus dem alten Ägypten. Mit einer Entschuldigung zog sich der Landesarchäologe auf die Toilette zurück und rief von dort aus die Polizei, die bereits in das Kriminalstück eingeweiht war. Die Hehler waren völlig perplex, als sie verhaftet wurden.

2010 © Alexander von Behaim Schwartzbach