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Der große Mondschwindel von 1835

Oft fällt es schwer zu glauben, dass vermeintlich hoch gelahrte Menschen sich so leicht hinters Licht führen lassen. Am 25. August 1835 erregte eine Sensationsmeldung die Gemüter der Leser der "The Sun" aus New York: "Kürzlich gemachte, große astronomische Entdeckungen des Sir John Herschel am Kap der Guten Hoffnung".

Mondwesen

Sir John Herschel, der Sohn des großen Wilhelm Herschel, war in jener Zeit ein berühmter Astronom in England. Er weilte gerade am Südafrikanischen Kap, um eine Karte des südlichen Sternenhimmels zu zeichnen. Herschel, so erfuhr der Leser, besäße ein so exzellentes Teleskop, dass diesem Gerät nicht auch die unscheinbarsten Geheimnisse auf dem Mond verborgen bliebe. Alle Einzelheiten seien so gut zu erkennen, als wären sie gerade nur 100 Meter von dem Betrachter entfernt. Diese unglaubliche Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Die Leser wurden allerdings durch viele wissenschaftliche Ausdrücke so sehr verwirrt, dass sie allesamt vor Staunen den Mund nicht mehr zu bekamen. Die 12.000 Exemplare der "Sun" waren natürlich schon wenige Stunden nach ihrem Erscheinen ausverkauft und eilig musste eine neue Auflage gedruckt werden. Der Verfasser dieser aufregenden Reportage, der Journalist Richard A. Locke, wusste auch zu berichten, dass Sir John zweifelsfrei Kornfelder, Tannenwälder und ergrünte Landschaften auf dem Mond entdeckt habe.

Aus dem 17. Jahrhundert war allerdings schon bekannt, dass der Mond keine Lufthülle besaß. Galilei war einer der ersten Wissenschaftler, der das neu erfundene Fernrohr auf den Mond richtete. Am tiefen Schwarz der Schatten folgerte er richtig, dass der Mond keine Atmosphäre haben konnte. Das Streulicht in der Atmosphäre würde immer noch ein Quäntchen Licht in die Schattenzone fallen lassen. Da der Mond eben keine Atmosphäre besitzt, konnte sich dort auch kein Leben entfalten.

Doch den Schreiber des Artikels scherte das alles wenig, denn, so fabulierte er dreist weiter, habe Sir John noch büffelähnliche Tiere auf dem Mond entdeckt. Es fällt schwer zu glauben, dass zwei richtige Professoren um weitere Informationen zu dieser unerhörten Entdeckung baten, da sie doch von höchster wissenschaftlicher Bedeutung sei. Die Verhandlung verlief begreiflicher Weise recht mühselig, da Locke viele Ausflüchte vorbrachte, weshalb er die Bitte um weitere Informationen abschlagen müsse. Da erst dämmerte es den beiden Professores, dass sie arg hinters Licht geführt worden waren. Als Sir John Herschel von dieser journalistischen Posse erfuhr, reagierte er sehr erheitert. Doch diese fette Zeitungsente aus New York führte dazu, dass nun alle aus Amerika gemeldeten "Entdeckungen" mit großem Misstrauen in Europa aufgenommen wurden.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach