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Der Fall Archaeopteryx

Seit ihrer Entdeckung in der Mitte des 19. Jh. haben die Abdrücke des Archaeopteryx die Paläontologen in helle Aufregung versetzt, denn der Archaeopteryx war eines der gesuchten Bindeglieder zur neuen Evolutionstheorie von Charles Darwin. Darwin hatte diese Theorie gerade erst kurz zuvor publiziert. Mit dem Fund des Archaeopteryx in Eichstätt konnte man die alte Behauptung der Gegner der Evolutionstheorie wirkungsvoll widerlegen, es gäbe keine Zwischenformen von Reptil und Vogel. Thomas Huxley, der bekannteste Paläontologe in England, hatte den Fund eines Urvogels bereits Jahre vorausgesagt. Jetzt gab es also einen soliden Beweis für die Evolutionstheorie.

Archaeopteryx

Aber ein Archaeopteryx ist noch lange kein Beweis für die Richtigkeit irgend einer Theorie. Doch für die Evolutionstheorie gibt es inzwischen unzählig viele Hinweise. Kein ernstzunehmender Naturwissenschaftler bestreitet sie noch. Die Abdrücke des Archaeopteryx gelten daher als die wertvollsten Fossile aller Zeiten. Alle Museen, die ein Exemplar besitzen, hüten die dünne Kalksteinpatte mit dem Vogelabdruck wie ein Kronjuwel. In den Solnhofener Plattenkalken hat man bis zum heutigen Tag fünf Archaeopteryx-Exemplare gefunden. Der schönste Abdruck ist zweifellos das Berliner Exemplar, das sich heute im Museum für Naturkunde in Berlin befindet.

Die spannendste Geschichte aber umgibt das Londoner Exemplar. Dem Arzt Carl Friedrich Häberlein aus Papenheim in Franken wurde sein ärztliches Honorar oft mit Fossilfunden bezahlt. Da er eine riesige Familie zu ernähren hatte (17 Kinder!), wollte er von Anfang an die Platte mit dem bemerkenswerten Fossil verkaufen. Als Fossiliensammler und Kenner hatte er den Wert des Fossils sofort gesehen und war sich sicher, damit ein großes Geschäft machen zu können. Allerdings befürchtete er, dass eine Abbildung der Kalkplatte den Verkaufswert reduzieren könnte, weshalb er nie eine Zeichnung des Ur-Vogels zuließ. So blieb der Vogel über mehrere Jahre unter Verschluss, weshalb Doktor Häberlein in der Fachliteratur oft schlecht wegkommt.

Der Abdruck eines Ur-Vogels löste unter den Fachwissenschaftlern eine verstärkte Reisetätigkeit nach Franken aus. Dr. Wagner von der Bayerischen Staatssammlung aus München interessierte sich eigentlich mehr für die Fischfossilien von Dr. Häberlein. Er wusste allerdings von dem Fossil, das er sich bei der Gelegenheit ansah. Da er sich keinerlei Notizen machen oder gar eine Skizze anfertigen durfte, schickte er seinen Assistenten Albert Oppel nach Papenheim. Oppel prägte sich in stundenlanger Betrachtung alle Einzelheiten des steinernen Vogels ein und fertigte später aus seiner Erinnerung eine exakte Zeichnung an. Mit dieser Skizze veröffentlichte Wagner den Fund und nannte ihn Griphosaurus, das heißt "Rätselsaurier". Häberlein verkaufte die Platte schließlich nach London, wo man sie noch heute im Natural History Museum sehen kann.

Archaeopteryx

Die gefundenen Exemplare

Bildnachweis

  • Bild Nr.1: Fossiliertes Exemplar des Londoner Archaeopteryx,
  • Bild Nr.2 Serie aller gefundenen Archaeopteryx

 

Wissen kompakt

  • Archaeopteryx-Fossilien: Die Archeopteryx-Fossile gelten als die wertvollsten Fossile aller Zeiten. Bislang wurden fünf Exemplare und ein Skelettfragment gefunden. Als das schönste Stück gilt das Berliner Exemplar Bild Nr. 3).
  • 1860 entdeckten Arbeiter im Kalksteinbruch in Solnhofen den Abdruck einer Feder in einer Steinplatte.
  • Hermann von Meyer, der damals führende Wirbeltierpaläontologe in Deutschland, gab dem noch nicht entdeckten Vogel, der die Feder verloren hatte, den Namen Archaeopteryx lithografica - alte Feder aus dem lithographischen Schiefer.
  • In der Jurazeit vor etwa 160 Mill. Jahren befand sich in der heutigen Frankenalb ein Gürtel von tropischen Lagunen mit vorgelagerten Barriere-Riffen. Weil der Wasseraustausch in den Lagunen recht gering war, war dort das Wasser zu salzreich und fast sauerstofffrei.
  • Die in die Lagune einmündenden Flüssen trugen gelegentlich Kadaver kleiner Landsaurier, Flugsaurier, Urvögel und Pflanzenreste aus dem Binnenland ein. In der sauerstoffarmen Lagune sanken die Kadaver ab und wurden sofort von einer Kalkschicht überzogen und wurden so für die Ewigkeit fossiliert.
  • Wissenschaftliche Bedeutung der Fossilien: Zur Zeit der Funde hatte Darwin seine Evolutionstheorie veröffentlicht. Im Darwinschen Evolutionsmodell fehlte das Bindeglied zwischen Reptilien und Vögel. Mit den Archaeopteryx-Funden hatte man das missing-link gefunden.
  • Der Arzt Dr. Carl Friedrich Häberlein gelangte in den Besitz des späteren Londoner Exemplars. Da Dr. Häberlein eine große Familie zu ernähren hatte, versuchte er den Preis des Fossils hochzutreiben. Er erkannte als erster die Bedeutung des Fundes.
  • Da er befürchtete, dass eine Abbildung oder Beschreibung den Preis des Fossils schmälern könnte, erlaubte er mehrere Jahre niemanden, das Fossil abzuzeichnen. Zeitweise geriet das Fossil in den Ruf einer Fälschung. Âlbert Oppel prägte sich das Fossil genau ein und fertigte eine erstaunlich exakte Zeichnung . Diese Zeichnung war die Grundlage für den Verkauf nach London.

© 2010 Alexander von Behaim Schwartzbach