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Der mysteriöse Planet Vulkan

In der Mitte des 19. Jahrhunderts machte der Direktor der Sternwarte von Paris, Le Verrier, eine merkwürdige Beobachtung, als er den Planeten Merkur beobachtete. Es war längst bekannt, dass die Merkurbahn um die Sonne nicht kreisförmig, sondern eine langgezogene Ellipse war. Merkur kommt der Sonne bis zu 46 Mio. Kilometer nahe. Durch die elliptische Bahn entfernt er sich auf 70 Mio. Kilometer. Le Verrier stellte aber fest, dass Merkur nicht auf einer »sauberen« Ellipse sich um die Sonne dreht, das heißt, dass Merkur nach einer Runde um die Sonne nicht wieder zum selben Ausgangspunkt zurückkehrt. Irgend etwas störte die Bahn Merkurs ein wenig. Solche Bahnstörungen, das wusste man längst, werden durch einen anderen Planeten hervorgerufen. Le Verrier war davon überzeugt, dass es noch einen weiteren, unbekannten Planeten geben müsse, der Merkurs Bahn störte.

Vulkan...

Merkur ist wegen seiner Sonnennähe nur schwer zu beobachten. Wenn Merkur zu nahe bei der Sonne steht, sind die Chancen, ihn zu sehen, gleich Null. Die einzige Möglichkeit einen innerhalb der Merkurbahn laufenden Planeten oder inner-merkurischen Asteroidengürtel zu beobachten, war während einer totalen Sonnenfinsternis oder wenn dieser vor der Sonne vorbeiwanderte. Prof. Wolf vom Züricher Sonnenflecken-Datenzentrum fand eine Reihe verdächtiger "Punkte" auf der Sonne. Ein anderer Astronom fand sogar noch ein paar mehr. Das deutete alles auf einen Asteroidengürtel, der sich zwischen Merkur und Sonne befinden musste.

Im Jahre 1859 erhielt Le Verrier einen Brief von dem Amateurastronom Lescarbault, der berichtete, am 26. März 1859 einen runden schwarzen Fleck auf der Sonne gesehen zu haben, der wie ein an der Sonne vorbeilaufender Planet aussah. Er hatte den Fleck 75 Minuten lang gesehen, als er sich über ein Viertel des Sonnendurchmessers weiterbewegte. Le Verrier überprüfte diese Beobachtung und berechnete daraus eine Umlaufbahn. Le Verrier war sich nun ganz sicher, dass er einen neuen Planeten entdeckt hatte. Die Umweltbedingungen mussten wegen der Sonnennähe ungeheuerlich sein. Daher nannte er ihn Vulkan.

1860 und 1878 fanden zwei Sonnenfinsternisse statt. Zwei Beobachter behaupteten, in der unmittelbaren Umgebung der Sonne kleine leuchtende Scheiben gesehen zu haben, bei denen es sich nur um kleine Planeten innerhalb der Merkurbahn gehandelt haben kann. Lewis Swift (Co-Entdecker des Kometen Swift-Tuttle, welcher im Jahre 1992 wiederkehrte), hatte ebenfalls einen 'Stern' gesehen, den er für Vulkan hielt. Allerdings fand er ihn an keiner der beiden Stellen, an denen Watson seine beiden 'intra-Merkure' beobachtet hatte. Nach diesen Ereignissen hatte niemand mehr den oder die Vulkan(e) noch einmal gesehen, und dies trotz mehrerer Suchaktionen bei verschiedenen totalen Sonnenfinsternissen.

Im Jahre 1916 veröffentlichte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie, welche die Störungen der Merkurbewegung erklärte, ohne dafür einen unbekannten intra-Merkur-Planeten zu benötigen. Doch was hatten die Astronomen wirklich gesehen? Swift und Watson könnten in der Hektik, noch während der totalen Abdunkelung der Sonne Beobachtungen zu machen, ihre Punkte mit Sternen verwechselt haben, so daß sie glaubten, Vulkan gesehen zu haben.

Wissen kompakt

  • In der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte der Leiter der Pariser Sternwarte, Le Verrier, dass die Umlaufbahn Merkurs um die Sonne etwas gestört war. Merkur kehrte nach einer Runde um die Sonne nicht wieder zum selben Ausgangspunkt zurück, sondern unmittelbar daneben.
  • Haargenau registrierte Le Verrier die Positionen von Merkur in seinem Perihel, also dem sonnennächsten Punkt. Dieser Perihelpunkt verschob sich mit jedem Umlauf, was schließlich zu einer Drehung des Perihelpunktes um die Sonne führte.
  • Mittlerweile hat man errechnet, dass Merkur für eine Periheldrehung 225.000 Jahre benötigt.
  • Da Bahnstörungen fast immer durch andere Planeten hervorgerufen werden, schloss Le Verrier, das sich hinter der Merkurbahn noch ein weiterer Planet befinden musste.
  • Da der angenommene Planet sich hinter Merkur befinden musste, befand er sich so nahe an der Sonne, dass er nicht mehr beobachtet werden konnte, da der Sonnenschein überstrahlte.
  • Kurz nach dem Le Verrier seine Berechnungen veröffentlicht hatte, meldete sich der französische Landarzt und Amateurastronom Dr. Edmond Lescarbault bei ihm und erzählte ihm, dass er einen schwarzen Fleck auf der Sonne gesehen habe. Er vermutete eine Transitgeschwindigkeit von etwa 5 Stunden.
  • Beide Wissenschaftler kamen zusammen und berechneten aus den vorliegenden Daten die Umlaufbahn des Planeten. Die Berechnung ergab, dass der neue Planet rund 21 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt sein musste. Das ist ungefähr 1/3 der Merkurentfernung.
  • Einstein erklärte die Periheldrehung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach