Archiv

Die Entdeckung der Eiszeit

Entdecker sind diejenigen, die als erste das erkennen, was alle schon oft gesehen, doch nie bemerkt haben. Es ist schon eigenartig, da liegen riesige Gesteinsbrocken in der Landschaft, die niemand hatte übersehen können. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts stellte der Schweizer Naturforscher Louis Agassiz sich die Frage, woher sie eigentlich kommen. Sie waren aus einem Gestein, das es in der ganzen Gegend nirgends gab. In Volkssagen wurden übelgelaunte steinewerfende Riesen verdächtigt, oder gar der Satan höchst persönlich. Im Volksmund heißen sie Findlinge. Diesen Namen tragen sie noch heute.

Findling

Etwa zur gleichen Zeit wie Agassiz stellte der schottische Gelehrte Charles Lyell sich die selbe Frage. Überall vor seinem Elternhaus lagen mächtige Findlinge herum. Lyell vermutete zu Unrecht riesige Eisberge, die diese Steine aus großer Entfernung hierher transportiert hatten. Diese Theorie fand für einige Zeit Eingang in die Wissenschaft. Selbst Agassiz war anfänglich der Meinung, das Lyell Recht hatte. Doch falsche Annahmen sind oft der erste Schritt zur Lösung eines wissenschaftlichen Problems.

Gletschertal

Im Wald von Monthey liegen gewaltige Findlinge, die bis zu 20 m groß sind. Da sie hoch in den Alpen liegen, konnten sie unmöglich von Eisbergen herantransportiert worden sein. Welche Kraft hat nun die Findlinge nun dort abgelegt, wo sie heute noch liegen? Vor rund 12.000 Jahren ging die Eiszeit zu Ende. Die Polkappen und die Hochgebirge lagen seit fast zwei Millionen Jahren unter einer Eiskappe begraben. Nur die höchsten Gipfel in den Alpen ragten aus den Gletschern hervor. Bergspitzen, die aus dem Eis herausschauen, bezeichnet man nach dem Eskimowort als Nunatakker. Wer das Profil der Bergformen genau beachtet, kann die Linie erkennen, bis zu der die Vereisung gereicht hat. Zwischen den Bergen in den Tälern, transportierten in riesigen Strömen die Gletscher den Erosionsschutt mit sich.

Profil

In unmittelbarer Nähe der Gletscher waren die Temperaturunterschiede besonders krass. Die Sonne heizte dort die Gesteine besonders auf, während in der Nacht die Temperaturen stark abkühlten (Tagesamplitude). Hitze und Kälte kann selbst die größten Felsen sprengen. Zuerst erwärmt die Sonne einen Felsen, der sich dadurch vergrößert. In der Nacht, wenn der Felsen abkühlt, zieht sich das Gestein wieder zusammen. Durch dieses tägliche Hin und Her wurde das Gesteinsmaterial zermürbt: "Regelation"). Irgendwann zersprangen die Felsen und riesige Felsbrocken fielen auf die Gletscher und wurden bis zum Ende ihrer Reichweite transportiert und dort abgelagert.

 

Wissen kompakt

  • Quartär: Vor rund 12.000 Jahren ging die große Eiszeit zuende. Die Geologen nennen diese Epoche das Pleistozän. Aus dieser Zeit stammen typische fluviale Ablagerungen, weshalb man glaubte, geologische Beweise der Sintflut entdeckt zu haben. Das Pleistozän dauerte fast 2 Mio. Jahre.
  • Alle Landschaften in Mittel- und Nordeuropa entstanden durch die Eiszeit. Durch die Eiszeiterosion und die Wucht der Gletscher entstanden alle fruchtbaren Böden unserer Heimat. Dort, wo die Gletscher endeten, wurden End- und Seitenmoränen abgelagert. In einem von der Eiszeit überformten Gebiet lassen typische Ablagerungsformen erkennen.
  • Die Jetztzeit ist nur eine Warmzeit des Pleistozäns und heißt Holozän. Pleistozän und Holozän bilden das Quartär.
  • Findlinge: In einem Gletschertal werden an der Seite oft überhängende Felsen losgesprengt. Diese Felsbrocken fallen auf das Eis und werden im Eis eingeschlossen und über weite Strecken mittransportiert. In Schottland und auch in der Lausitz liegen Findlinge, die aus Skandinavien stammen.
  • Formenschatz der Gletscher in den Alpen: Alle Alpentäler haben ein U-Profil. Die U-Täler wurden durch das fließende Gletschereis ausgehobelt. An den Gebirgsrändern lässt sich noch heute feststellen, wie hoch der Gletscher im Tal lag.

 

© 2010 Alexander von Behaim Schwartzbach