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Eine verrückte Idee macht Karriere

Wie Darwin der Biologie eine völlig neue Denkrichtung gegeben hat, so hat Alfred Wegener 1912 durch seine Theorie von der Drift der Kontinente der Erdwissenschaft völlig neue Impulse gegeben - ja, er hat unser Verständnis vom Antlitz der Erde grundlegend verändert. 1911 schrieb der Privatdozent seiner Braut einen Brief, der in die Wissenschaftsgeschichte eingehen sollte: "Mein Zimmernachbar Dr. Take hat zu Weihnachten den großen Handatlas von Andreé bekommen. (...) Dabei ist mir ein Gedanken gekommen. Sehen Sie sich doch bitte die Weltkarte an: Passt nicht die Ostküste Südamerikas genau an die Westküste Afrikas, als ob sie früher zusammengehangen hätten? (...) Dem Gedanken muss ich nachgehen."

Alles passt zusammen

Schon ein Jahr später trug der erst 32jährige Alfred Wegener in der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung diese Idee in einem Vortrag vor. Er löste bei den etablierten Wissenschaftlern einen Sturm der Entrüstung aus. Noch nie hätten sie einen solchen Unsinn gehört, empörten sich die anwesenden Gelehrten. Genau betrachtet, war die Reaktion zu verstehen, denn man konnte sich keine Kraft vorstellen, die in der Lage war, ganze Kontinente zu verschieben. 1944 riet ein führender Geologe sogar, dass man die Idee von der Kontinentaldrift sofort aufgeben sollte, da "jede weitere Diskussion darüber nur das Schrifttum vermehrt und den Verstand der Studenten verwirrt."

Heute deuten die Geologen die Hochgebirge auf der Erde tatsächlich als Kollisionszonen, wo zwei Erdschollen aufeinanderprallten. Der mächtige Himalaja ist quasi die Schweißnaht, mit der Indien und Asien miteinander verbunden sind. Die Alpen entstanden als Ergebnis, als Italien auf den europäischen Kontinent prallte. Die Pyrenäen sind das Ergebnis, als die Iberische Platte mit Europa kollidierte. Die Anden waren nichts weiter als die Bugwelle des nach Westen driftenden südamerikanischen Kontinents. Dies war nur möglich, da die Kontinente sich verschoben hatten. Doch diesen Gedanken wollte niemand folgen, hatte sie doch der österreichische Geologe Eduard Sueß in seinem noch heute faszinierenden Werk "Das Antlitz der Erde" die Entstehung der Gebirge angeblich schlüssig beantwortet: Da sich die Erde immer mehr abkühlt, schrumpft sie immer mehr. Analog der Runzeln auf dem schrumpfenden Apfel haben sich auf der Erde eben die Gebirge gebildet, glaubte Sueß. In den sechziger Jahren hatten die Wissenschaftler so viele Beweise für die Richtigkeit der Wegener'schen Theorie zusammengetragen, dass man an der Drift der Kontinente nicht mehr zweifeln konnte.

(c) Bild: Henrik Heigl

 

Wissen kompakt

  • Beim Betrachten einer Weltkarte fiel Alfred Wegener auf, dass die Küsten Südamerikas und Afrikas nahtlos ineinander passten. Er vermutete, dass beide Kontinente mal zusammen gehangen haben mussten. 1912 trug er diesen Gedanken in der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt vor. Das war sehr gewagt, denn Wegener war kein Erdwissenschaftler, sondern Meterologe und mit 32 Jahren noch sehr jung. Seine Idee wurde von den etablierten Wissenschaftlern schroff abgelehnt. Niemand konnte sich eine Kraft vorstellen, die imstande war, ganze Kontinente zu verschieben.
  • Erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es genügend Beweise für Wegeners Theorie von der Drift der Kontinente.
  • Vor 280 Millionen Jahren, waren noch alle Kontinente im Superkontinent Pangäa vereint. Auch gab es damals nur ein Meer: Phantalassa. Im Laufe von mehreren Millionen Jahren zerbrach der Riesenkontinent Pangäa in der Mitte und bildete zwei eigene Großkontinente. Der Nordkontinent erhielt den Namen Laurasia. Den Südkontinenten nennt man Gondwana. Beide Kontinente wurden durch das Tetysmeer getrennt.

Drift

Die Kontinentalplatten driften auf dem flüssigen Erdinneren

  • Langsam schoben sich die Platten in die Positionen, die wir kennen. Als man den Schalenaufbau der Erde und die Konvektionswalzen im Erdmantel erkannte, hatte man die Kraft gefunden, die ganze Kontinente bewegen kann. Auf die Konvektionsströmungen im Erdmantel wurde man durch die Theorie des Sea Floor Spreading aufmerksam.
  • Heute wird Wegeners Kontinentaldrifttheorie von keinem Geo-Wissenschaftler noch angezweifelt. Wegeners Kontinentaldrifttheorie hat das Verständnis von der Erde zutiefst gewandelt.

2010 © Alexander von Behaim Schwartzbach